Vom Magdeburg-Spiel habe ich mir diesmal die 1. Halbzeit genauer angesehen. Optisch war Magdeburg klar überlegen, 12 Torschussversuche (geblockte Schüsse impliziert) gegenüber 4 Torschussversuchen zeigen aber, dass Hansa dennoch mehr akute Gefahr vor dem gegnerischen Tor entwickeln konnte. Hier mal die Folge der Torschüsse in der ersten Halbzeit:
Minute 01:14 – Neidhart wirft den Ball weit ein (leider eine seiner besten Aktionen in Halbzeit 1), MD lässt den Ball im 5er aufprallen und Rother kommt zum Kopfball.
Minute 06:31 – Magdeburgs erste Gelegenheit ergibt sich nach einem langen Ball von Neidhart, der umgehend zurückkommt. Jacobsen lässt Neidhart und Löhmannsröben stehen und dribbelt dann mit hohem Tempo bis in den 16er, wo er letztendlich auch zum Abschluss kommt. Dass Jacobsen aus der Bewegung kommend einen Schnelligkeitsvorteil gegenüber Löhmannsröben hat, lässt sich schwer verhindern. Im Bild rechts habe ich aber mal aufgezeigt, dass Riedel (eh ohne Gegenspieler) viel früher aus der Kette kommen muss, um Jacobsen zu stören. Roßbach muss gleichzeitig enger an seinem Gegenspieler stehen, um diesen bei einem Pass in die Schnittstelle sicher ablaufen können. Schlecht verteidigt von Hansa und Glück, dass schwache Füße in Liga 3 häufig wirklich schwache Füße sind und deswegen gar nicht genutzt werden.
Minute 08:28 – Die nächste Möglichkeit gehört wieder Hansa. Verhoek macht den Ball an der Mittellinie sehr gut fest und spielt Bahn an. Bahn hat einen sehr guten Blick für den startenden Türpitz, überspielt 7 Gegenspieler (Bestwert) und Türpitz kommt aus 20 Metern – leider noch entscheidend gestört – zum Abschluss.
Minute 11:51 – Der nächste ernsthafte Versuch Magdeburgs ergibt sich nach einer Ecke. Türpitz (nicht im Bild) startet etwas zu früh nach vorne und kann seinen Gegenspieler nicht am Schuss von der 16er-Grenze hindern. Der trifft den Ball aber nicht richtig, so dass dieser über das Tor fliegt.
Minute 12:39 – Keine Minute später hat Hansa erneut keinen Zugriff im Mittelfeld. A. Müller kann Breier und Neidhart aus- und Obermair anspielen. Der schließt aus 25 Metern ab, der Ball fliegt über das Tor.
Minute 14:33 – Bahn spielt den Ball von der rechten Seite zurück zu Löhmannsröben, der aus dem Halbfeld flankt. Verhoek ist mit Platz und Zeit etwas überfordert, so dass der Ball mehrere Meter neben das Tor geht.
Minute 19:24 – Fünf Minuten später kommt Roßbach zum Kopfball, nachdem Neidhart ebenfalls aus dem Halbfeld geflankt hat. Roßbach wird entscheidend gestört, der Ball geht links neben das Tor.
Minute 24:52 – Ausgangssituation ist ein langer Ball von Kolke, der von MD abgefangen wird und dann bei Rother landet. In dem Moment suchen Bahn und Breier sofort den Weg nach vorne. Zumindest Breiers Laufweg ist hier nicht optimal, da ein langer Ball von Rother für ihn kaum zu erreichen wäre. Optimal wäre es hier, wenn Bahn den Gegenspieler durch seinen Weg bindet und Breier sich kurz anbietet, um dann mit Ball aufdrehen zu können. Letztendlich kann Rother die Auftaktbewegungen aber sehen und darf diesen Pass nicht spielen. Neidhart oder Schwede wären mögliche Alternativen. So geht der Ball direkt in A. Müllers Füße. In diesem Moment hat Riedel auf den Torschützen Atik noch einen Vorsprung von etwa 1,5 Meter. Müller geht ein paar Schritte mit Ball und noch bevor dieser Atik erreicht, hat Riedel seinen „Vorsprung“ verloren und muss hinterher laufen. Alles Weitere ist dann nicht mehr zu verhindern.
Minute 30:12 – Wieder fünf Minuten später bot sich die wohl größte Möglichkeit zum Ausgleich. Nach einer Ecke von Schwede bringt Neidhart den Ball erneut ins Spiel. Mit etwas Glück landet dieser bei Türpitz, der den Ball zu Verhoek in die Mitte spielt. Dieser hat Mühe den Ball zu kontrollieren und schafft es dann nicht, dem Ball aus fünf Metern genug Kraft zu geben.
Minute 44:50 – Am nächsten war Hansa dem Ausgleich kurz vor der Pause. Erneut war es eine Ecke von Schwede, der den Ball nach einem gescheiterten Klärungsversuch MDs zurückerobert. Dann sieht es richtig gut aus: Bahn spielt zurück zu Rother, der zu Schwede, der leitet mit der Hacke auf Bahn weiter, Bahn legt wieder zurück zu Schwede, der legt ab auf Löhmannsröben. Dessen Torschuss wird noch geblockt, während Breiers Schuss darauf Behrens zu einer Parade zwingt. Bahn ist dann am schnellsten am Ball und geht volles Risiko: leider nur der Pfosten. Ehrlicherweise muss man zugeben, dass ein Tor in dieser Situation regelwidrig gewesen wäre, da Verhoek zur Zeit Breiers Schusses im Abseits steht und die Sicht des Torhüters beeinträchtigt.
Warum haben wir das Spiel (in Halbzeit 1) trotzdem verloren?
Hansa hatte insgesamt betrachtet mehr gute Möglichkeiten zur Torerzielung als MD. In den vergangenen Spielen ging oft irgendwie einer rein. Diesmal konnten wir diese Qualität nicht ausspielen bzw. uns fehlte die 100%-Chance. Es gelang dann nicht, das Tor zu erzwingen, was verschiedene (Teil-)Ursachen hatte und sich auch in der Gesamtstatistik der ersten Halbzeit in Ansätzen erkennen lässt.
1. Pressing
Hansa war von Beginn an gewohnt engagiert, den Gegner beim Spielaufbau zu stören und den Ball zum Torhüter und damit den Ballverlust zu provozieren (00:20). MD konnte mit diesen Drucksituationen aber viel besser umgehen, als zum Beispiel der HFC. Wenn die vier attackierenden Spieler überspielt waren, bot sich in der Mitte viel Platz. Mit dem ausbleibenden Erfolg hat Hansa sich dann zunehmend zurückgezogen oder ist unabgestimmt und ohne Aussicht auf Erfolg angelaufen (09:29). Das hat sich im Laufe der ersten Hälfte aber wieder gelegt und gerade zum Ende der 1. Hälfte konnten so wieder Fehler des Gegners erzwungen werden (36:57).
Insgesamt war das Pressing aber nicht so effizient, wie zuletzt. Von den 236 erfolgreich gespielten Pässen MDs wurden 175 (74%) in der Mitte gespielt. Das war nur möglich, weil Hansa sich phasenweise sehr weit zurückgezogen hatte. Hingegen ist es MD im letzten Drittel auch nur gelungen, 10 von 23 Pässen (43%) zum Mitspieler zu bringen. Das sind lediglich 4% der erfolgreich gespielten Pässe. In Strafraumnähe hatte Hansa also recht guten Zugriff auf den Gegner.
2. Kompaktheit im Defensivverbund
Obwohl Hansa in Teilen der ersten Hälfte so zurückgezogen agierte, gelang es in diesen Situationen dennoch nicht, Kompaktheit herzustellen. Diese exemplarischen Szenen zeigen, wie es uns misslungen ist, MD daran zu hindern, die Räume zwischen den Ketten zu bespielen. Das hat auch mit Raumdeckung nichts zu tun, denn die ist in einem bestimmten Raum letztendlich auch gegnerbezogen. Das ist in Minute 05:35 mit einer Ausnahme absolut gar nicht zu erkennen, so dass eine Ballverarbeitung ohne Gegnerdruck möglich ist. Die beiden oberen Situationen sind nur ein paar von mehreren, in denen MD nach langem Hin-und-her-Geschiebe in der Mitte solche Passräume öffnen konnte. Zum Glück wussten sie diese nur selten zu nutzen. Die untere Szene resultierte nach einem Befreiungsschlag Neidharts und in Folge daraus, dass nur die (vordere) Hälfte der Mannschaft konsequent vorschob. So öffnete sich ein großes Loch in der Mitte, was dann auch den ersten Torschuss für MD ermöglichte. (Gut, dass Atik hier nicht weiß, wieviel Platz/Zeit er hat.)
3. Umschaltspiel
Schon oft angesprochen und auch am Samstag eine unserer größten Schwächen. Bei vielen Ballgewinnen in der eigenen Hälfte passiert erstmal … gar nichts. Der ballgewinnende Spieler wird in der Regel sofort wieder unter Druck gesetzt (Gegenpressing) und ist daher darauf angewiesen, dass sich Mitspieler unmittelbar in freie bespielbare Räume bewegen. Gerade Spieler, die sich zum Zeitpunkt des Ballgewinns hinter dem Ball befinden, müssen die Situation schnell erkennen. Bei uns bleiben zu oft entweder alle stehen (3:14) oder die Spieler vor dem Ball laufen stumpf und ohne Abstimmung nach vorne, so dass nur der Ball nach hinten bleibt oder der blinde Schlag nach vorne (06:20). In der unteren Szene spielt Bahn nach einem Ballgewinn auf Neidhart. Bahn und Breier suchen gleichzeitig den Weg nach vorne, wirklich anspielbar ist keiner. Neidhart wählt den langen Ball(-verlust). In weiß habe ich mal die möglichen Optionen zur Lösung dieser Situation aufgezeigt (A: kurzer Antritt und Pass auf Bahn, B: Breier täuscht den Weg nach vorne nur an und kommt kurz, C: Spiel über Rother in der Mitte).
4. Passqualität
Die Passquote von 73% (weniger als drei von vier Pässen kamen an) bestätigt, dass das Passspiel gegen MD nicht gut war. Viel zu oft schenken wir vielversprechende Angriffssituationen her, weil Pässe unsauber gespielt werden, noch dazu gepaart mit schlechter Abstimmung. Gerade bei den regelmäßig zusammenspielenden sind diese krassen Missverständnisse sehr ärgerlich, noch mehr, wenn sie zu Gegentoren führen.
Hier mal fünf exemplarische Situationen, aus denen viel hätte entstehen können:
23:37 – Roßbach gewinnt den Ball, Türpitz steht. Dennoch spielt Roßbach den Ball direkt tief in den Lauf (blau), statt Türpitz in den Fuß (weiß).
23:49 – Breier erobert sehr gut den Ball. Türpitz rächt sich nur 12 Sekunden später bei Verhoek für Roßbachs Pass und spielt dem entgegenkommenden Verhoek nicht in den Fuß, sondern ebenfalls unerreichbar in den Lauf (blau).
34:08 – Bahn bekommt den Ball von Türpitz und sieht zu Breier, sieht also, wie er startet. Dennoch spielt er den Ball quer in den Rücken. Besser: Verhoek mitnehmen, der Breier dann in den Lauf spielt.
40:51 – Bahn erobert den Ball. Verhoek bekommt ihn in den Fuß und hätte Zeit, seinen starken rechten Fuß zu nehmen, um den startenden Türpitz anzuspielen. Stattdessen spielt er den Ball mit links in den Fuß des Gegners.
41:13 – Ein weiterer langer Ball von Neidhart wird vom Magdeburger schlecht geklärt, zentral und direkt vor die Füße von Rother. Türpitz macht Alles richtig, setzt sich leicht nach außen und vorne ab. Rother hätte genug Zeit, den Ball flach zu machen und ihn dem Tempo aufnehmenden Türpitz in den Lauf und auf seinen starken Fuß zu legen. Stattdessen nimmt Rother den ersten Kontakt aus der Luft und der Ball bekommt so viel Drall nach außen, dass Türpitz abbrechen muss und dem nachrückenden Schwede überlässt. Gefahr entsteht dann nicht mehr.
Die Sache ist die: Während MD es mit 4% Pässen und 43% Quote geschafft hat ein Tor erzielen, haben wir das mit 16% Pässen (im letzten Drittel) und einer Quote von 76% nicht. Wenn das nicht reicht, ist das genug Grund dafür, solche einfachen Passfehler wie hier beschrieben, abzustellen. Die geschilderten Situationen fanden alle in der Spielfeldmitte statt. Mit 73% liegt die Passquote hier unter der im letzten Drittel. Sehr untypisch, aber dem optischen Eindruck des Spiels durchaus entsprechend.
5. Risikobereitschaft
Um ein Tor zu erzwingen, musst du bereit sein, Risiko einzugehen. Gerade bei den Außenverteidigern (Schwede, Scherff, Neidhart – in der Reihenfolge) fällt es auf, dass oft die risikoaverse Entscheidung getroffen wird, obwohl meistens nicht mal ein unmittelbarer Ballverlust droht. Auf keiner anderen Position hast du so viele Gelegenheiten für Doppelpässe oder Hinterlaufen und dennoch wird so oft der Weg zurück (blau) gesucht. Schwede spielt in dieser Situation 40 Meter zurück zu Kolke. Warum? Neidhart hat es da schon schwerer. Aber Breier bietet sich super für den Doppelpass an und Neidhart wird aggressiv angelaufen, so dass er durch den notwendigen Richtungswechsel des Gegners einen Geschwindigkeitsvorteil hätte. Stattdessen dreht er ab und spielt zurück zu Riedel.
6. Spielaufbau
Die deutlich geringere Anzahl gespielter Pässe (216) und die Passquote (73%) zeigen auch, dass wir in Halbzeit 1 kaum Kontrolle über das Spiel hatten. Bis zum Gegentor hatte MD gar 69% Ballbesitz. Ein Spielaufbau fand bei uns eigentlich nicht statt. Nach Ballgewinn war MD sofort da und aus Mangel an Alternativen (siehe Umschaltspiel) blieb oft nur der lange Ball. Bestes Beispiel hierfür ist Neidhart, der 18 lange Bälle/Befreiungsschläge nach vorne gespielt hat, aber nur halb so viele flache Pässe. Beide Außenspieler haben zusammen nur sechsmal die beiden 6er flach angespielt und genauso selten die beiden Spieler vor ihnen. Neidhart und Schwede haben jeweils nur einen (!) flachen Pass auf ihren jeweiligen Innenverteidiger gespielt. Und gerade Innenverteidiger sind beim Spielaufbau gefragt und daher in der Regel auch die Spieler mit den häufigsten Ballkontakten. Roßbach und Riedel hatten mit insgesamt 20 Ballaktionen den geringsten Anteil am Spiel der ersten Halbzeit. Selbst Kolke oder eher gut gedeckte Offensivspieler wie Breier und Türpitz hatten mehr. Wenn man dem etwas Positives abgewinnen möchte, ist es, dass 60 % all unserer gespielten Pässe nach vorne gespielt wurden.
Hier die Statistik der Anzahl der Aktionen mit Ball über alle Spieler:
Löhmannsröben war um Kontrolle bemüht, hatte diese Rolle aber oft für sich allein und ist vielleicht nicht komplett dafür gemacht. (Das Fehlen von Rhein wurde in diesem Spiel sehr deutlich, da er inzwischen auch ein Spieler ist, der gesucht wird.) Das beschert Löhmannsröben in der individuellen Bewertung (ratio) eine 0,67. Bester Spieler in Halbzeit 1 war Bahn mit 0,87, gefolgt von Riedel (bei dem ich aber auch nur 17 Aktionen mit Ball bewerten konnte).
Die Bewertung habe ich wieder je Ballaktion und anhand einer -3 bis +3-Skala vorgenommen. Dabei habe ich zu einem Teil die Entscheidung des Spielers bewertet, zum anderen die Umsetzung.
Beispiele:
- der Einwurf von Neidhart in der ersten Minute, aus dem sich die Chance für Rother ergibt: +2
- die Halbfeldflanke von Löhmannsröben, die zur Chance für Verhoek führt: +2
- der anschließende Kopfball von Verheok, unbedrängt und mit freier Sicht auf den Ball: -1
- der Pass von Schwede auf Kolke, 40m, scharf und in den Fuß, nur leider in die falsche Richtung: -1
Die Gesamtsumme je Spieler geteilt durch die Anzahl bewerteter Aktionen ergibt dann den Wert für jeden Spieler.
Nicht bewertet habe ich Defensivaktionen ohne Ball. Da müsste Riedel für seine "Handlungsschnelligkeit" beim Gegentor eine -3 bekommen. Gleichzeitig müsste ich dann aber auch alle anderen vergleichbaren Situationen auf dem Feld bewerten, was den Umfang dann doch etwas sprengen würde.
7. Fazit
Viele haben Hansa schlecht gesehen, das waren wir vielleicht auch, wenn man die sonst sehr kontrollierte Spielweise als Maßstab nimmt. Dennoch hatten wir trotz der „schlechten“ Leistung genug Möglichkeiten, das Spiel zu unseren Gunsten zu entscheiden und haben wenig zugelassen. Kleinigkeiten entscheiden wohl oder übel über den Spielausgang und am Freitag bietet sich schon die Möglichkeit, die Dinge besser zu machen. Was muss dafür passieren?
- Rhein (und Omladic) in die Startelf
- mehr Kompaktheit durch schnelleres Nachrücken
- Passivität im Umschaltspiel ablegen, Angebote schaffen
- Konzentration im Passspiel
- risikofreudigere Optionen wählen
Auf geht's, Hansa!